Aus dem Jahre 2004 stammt der folgende, lesenswerte Reisebericht von Ludwig Krause |
Zu Gast in Thüringen2. Kompanie auf Herbstfahrt an historischen Orten Die Wartburg war im 12. Jahrhundert ein bedeutendes Zentrum der Minnekultur. Allerdings ist der legendäre durch Heinrich von Ofterdingen überlieferte „Sängerkrieg" (1206/07), angeblich Vorlage für Wagners „Tannhäuser", nicht belegt. Der
Reformator Martin Luther verbarg sich 1521-22 als Junker Jörg auf der
Wartburg und übertrug das Neue Testament in das sächsische
Kanzleideutsch. Er schuf damit eine wichtige Grundlage für den
protestantischen Glauben und die Vereinheitlichung der deutschen
Sprache. Ein bedeutendes Ereignis des 19. Jahrhunderts war das
Wartburgfest der Burschenschaften von 1817 mit ihren Forderungen zur
deutschen Einheit. Im Jahre 1869 gründeten August Bebel und Karl
Liebknecht in Eisenach die „Sozialdemokratische Arbeiterpartei". Ausgeruht starteten wir am nächsten Tag nach Weimar, eine der Hauptstädte der europäischen Kultur. Hier malten Lukas Cranach, Kandinsky und Klee, komponierte Johann Sebastian Bach als Hoforganist, predigte als Superintendent Johann Gottfried Herder, baute Walter Gropius das Bauhaus auf. Franz Liszt machte von 1848-61 die Stadt zu einem musikalischen Zentrum. Die glanzvollste Epoche der Weimarer Geschichte war die Goethe-Zeit. Durch Wieland, Schiller und Goethe wurde Weimar zur Stadt der deutschen Klassik. Goethes Wohnhaus und Schillers „Gelbes Haus", das National-theater mit dem Goethe-Schiller-Denkmal, konnten wir nur mühsam wegen vieler tausender „Zwiebelmarktbesucher" erreichen. Wir besichtigten die Familiengruft der Weimarer Herzöge auf dem historischen Friedhof, wo auch die Sarkophage Goethes (verstorben 1832) und Schillers (verstorben 1805) aufgestellt sind. Zu unserer Überraschung erfuhren wir von unserem Kompaniechef Udo, dass Goethes märkische Ahnen nachweislich aus Refflingsen stammten. Unsere besondere Aufmerksamkeit galt der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek, die leider vor einigen Wochen durch einen Brand unersetzlichen Schaden genommen hat. Erwähnenswert ist die 1919 im Deutschen National-theater stattgefundene verfassungsgebende Nationalver-sammlung der Weimarer Republik. Nachdem wir auch das Wasserschloss Kochberg, den Wohnsitz von Charlotte von Stein, einer Freundin Goethes, besucht hatten, war der Abend vor dem letzten Reisetag ausgefüllt mit lustigen Beiträgen zur Unterhaltung aus unserer Mitte. Wir übten fleißig, vom Hotelpersonal kräftig unterstützt, die heimliche Hymne des Landes: „Ich wandere ja so gerne am Rennsteig durch das Land", einem traditionsreichen Wanderweg auf dem Gebirgskamm des Thüringer Waldes. Auf engem Raum konnten wir unter fachlicher Führung in den drei Städten die Spuren großer Geister des Mittelalters verfolgen. Über Erfurt, von Bonifatius im Jahre 742 gegründet, erhebt sich über dem Domplatz die beeindruckende Architekturschöpfung des Domes mit seinen großartigen Fenstern mittelalterlicher Glaskunst und dem hohen gotischen Chor sowie die St. Severikirche mit der „Gloriosa", der größten frei schwingenden Glocke der Welt. Der Handelsplatz Erfurt entwickelte sich als Messestadt und durch den Handel mit der blau färbenden Waidpflanze zu einer reichen und bedeutenden Stadt. Weiterhin sehenswert ist die Krämerbrücke. Mit 32 Häusern bebaut und 120m lang, ist sie die längste steinerne Bogenbrücke nördlich der Alpen. Im Jahre 1392 wurde die Universität gegründet. Die Altstadt mit den prächtigen Fassaden ihrer Bürgerhäuser gelten als bedeutendes Denkmal der Stadtbaukunst. Der Anger und der Fischmarkt mit dem Rathaus, dem Haus zum roten Ochsen, dem Haus zum breiten Herd, Rennaissancebauten von 1562 und 1584 sind hier zu bewundern, ebenso das Denkmal des Heiligen Martin im Gewande eines römischen Kriegers, im Volksmund auch „Roland" genannt. Ab 1802 preußisch, ist Erfurt heute wieder die Landes-hauptstadt von Thüringen. Erfurt, eine beeindruckende Stadt, war unser letzter Stadtrundgang. Auf der Rückfahrt machten wir noch einen Abstecher nach Ichtershausen. Fachleute aus Iserlohn gründeten dort 1862 eine Nadelfabrik, die noch bis 1990 die Ostblockstaaten mit ihren Produkten belieferte. In Iserlohn angekommen, trennten wir uns in der Gewissheit: Im nächsten Jahr verreisen wir wieder zusammen. Ludwig Krause |