Unter Cellern

Ein-Mann-Exkursion zum Schützenfest in Celle - 16./17. Juli 2011

Ein Reisebericht von Martin Rupprecht

Gerade erst war das Iserlohner Schützenfest zu Ende gegangen, und die wackeren Schützen aus der Zwoten Kompanie waren froh, daß das Leben endlich wieder in normalen Bahnen zu laufen versprach. Die Terminkalender enthielten auf den nächsten Seiten Worte wie Arbeit, Urlaub, Geburtstag und dergleichen, aber bestimmt nicht das Wort Schützenfest. Wen wundert's, daß das Vorhaben, am großen Celler Schützenfest teilzunehmen und unseren Freunden vom Schützencorps Neuenhäusen einen Gegenbesuch abzustatten, auf wenig Interesse stieß.
Nun ist mir der überregionale Kontakt zwischen Schützenvereinen aber ein besonderes Anliegen, und in Neuenhäusen sieht man das ähnlich. War doch gerade erst eine Gruppe des SCN bei uns in Iserlohn gewesen.
So kam es, daß ich mich - sozusagen als 1-Mann-Abordnung der Zweiten Kompanie - allein auf den Weg in das malerische niedersächsische Städtchen machte, um die Bräuche norddeutschen Schützenwesens zwei Tage lang ausgiebig zu erforschen. Dieter Lankau vom SCN hatte mich vorab mit allen notwendigen Informationen versorgt und mir auch die Teilnahme am Fischessen ermöglicht. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Dieter bedanken!


Nach etwa 3stündiger Fahrt traf ich gegen Mittag in demselben innerstädtischen Hotel ein, in dem wir bereits vor vier Jahren als Gruppe untergekommen waren. Gleich den grünen Schützenrock angezogen, und ab ging's in die Altstadt, um mich ein wenig zu orientieren und nach einem Mittagessen Ausschau zu halten. Unterwegs sorgte meine für norddeutsche Verhältnisse ungewöhnliche Uniform für Aufsehen bei Touristen und Einheimischen. ( befühlt meine Manschette: "Ist das Samt?" )
Gegen 14:30 Uhr traf ich dann die Neuenhäusener Schützen in ihrem Antretelokal, dem Blauen Engel. Großes Hallo allerseits, und Bedauern, aber auch  Verständnis dafür, daß nicht mehr Iserlohner den Weg nach Celle gewagt hatten.
Man erwartete Schützenkönig Wolfgang "Der Gesellige", der angekündigt hatte, seinem Schützenvolk eine Kutschfahrt zu spendieren. Diese fachkundig geleitete Siteseeing-Tour zu den historischen Sehenswürdigkeiten der Stadt wurde nun der erste Höhepunkt meines Besuches. Unterwegs erfreute uns dann auch noch eine spontane Gesangsdarbietung junger Cellerinnen. (Video)


Zurück von der Kutschpartie, marschierten wir dann gemeinsam zum Aller-Stauwehr, wo das traditionelle Kolkausfischen stattfand. Platzkonzert und Rollmopsessen hielten mich diesmal nicht davon ab, echten Flußfischern beim Auslegen des Netzes zuzuschauen. Das Niedrigwasser ließ keinen großen Fang erwarten, dennoch konnten die Männer zwei Fische erbeuten. Die Fangquote soll in früheren Jahren schon schlechter gewesen sein!
Die Zeit bis zum Fischessen - wohl also die Zeit der Zubereitung jener zwei Fische - verbrachten wir bei einem gemeinsamen Kirmesrundgang mit Karussellfahrten, Bratwurst und was sonst noch dazu gehört.


Das Fischessen - Äquivalent zum Herrenessen des IBSV - findet in Celles größtem Veranstaltungskomplex, der Congress Union statt. Über 500 Schützen aus allen Vereinen der Stadt teilen sich hier in geradezu biblischer Weise das Ergebnis des Kolkausfischens. Meine Portion sieht man hier noch ohne zugehörige Sättigungsbeilage.
Mit Spannung erwartet wird immer die humorvolle Fischrede eines prominenten Ehrengastes. Der Redner war diesmal niemand geringerer als der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister! Stehende Ovationen erhielt er für seinen Vortrag, der an meinem Tisch einhellig als beste Fischrede seit Jahren bezeichnet wurde. McAllister, selber 2001 Schützenkönig von Bad Bederkesa, hatte humorvoll seine persönlichen Erfahrungen im Schützenwesen mit jenen in der Politik verknüpft und blieb auch Aussagen zu den brennenden Themen der lokalen und Landespolitik nicht schuldig. Bitte lest hierzu auch den Artikel der Celleschen Zeitung, "Celle ist uns lieb und teuer", die ich hier im PDF-Format mitliefere. (siehe unten)

Im Anschluß an das Fischessen versammelten sich die Schützen aller Vereine vor der Congress Union zum großen Fackelmarsch Richtung Schloß. Dieser eindrucksvolle Umzug wird von der Celler Bevölkerung besonders geschätzt, was sich an Zahl der Zuschauer ablesen läßt. Gerne hätte ich hier mehr Fotos davon präsentiert, konnte jedoch erst zur Kamera greifen, als meine 2 Fackeln abgebrannt waren.
Zwei Stunden später endete dann der Samstagabend im Festzelt auf dem Schützenplatz, musikalisch begleitet von Andreas Autengruber und seinen Enzianern, der 2 Wochen zuvor noch beim Iserlohner Schützenfest aufgetreten war!

Der Sonntag begann mit Musik! Um 6 Uhr in der Frühe zog der Weckumzug geräuschvoll durch die Stadt, um die Majestäten zu Hause abzuholen und zum Festplatz zu geleiten. Das Neuenhäuser Schützencorps versammelte sich dort um 9 Uhr im Festzelt zum Königsfrühstück. Die Majestäten, geschmückt mit individuell gefertigten Papierkronen, hatten ein mächtiges Frühstücksbuffet auffahren lassen. Das war jenem, welches ich gerade erst im Hotel genossen hatte, an Qualität und Auswahl zumindest ebenbürtig!
Im Programm drehte sich jetzt alles um die Wettkampfergebnisse im Schießen. Die erfolgreichsten Schützen, Schützinnen und Jungschützen wurden geehrt und mit Auszeichnungen bedacht. Die Damenbeste, der neue Jungschützenkönig der Jugendabteilung und der Minikönig für den jüngsten Nachwuchs wurden proklamiert. Seht, wie stolz sie sind! Das Königsschießen der Herren findet immer erst am Montag statt. König Wolfgang mit dem schmückenden Beinamen "Der Gesellige" hatte hier also einen seiner letzten Auftritte.


Um 11 Uhr hieß es dann "Antreten zum Bezirksumzug!" Bei leichtem Regen marschierten wir nach Neuenhäusen. Am Denkmal neben der Kirche wurde ein Kranz niedergelegt und der Pfarrer sprach kurz. Weiter ging's zum Pflegeheim Staschko. Leitung und Mitarbeiter des Heimes hatten wieder mit viel Liebe zum Detail eine große Gartenparty für Schützen und Patienten vorbereitet. Königsumtrunk mit kalter Ente! Da bin ich gern dabei, und war auch leicht zu einem Krawattentausch zu überreden!


Es folgte der Sternmarsch zum sonntäglichen Großereignis,  dem Aufmarsch vor dem Schloß. Auf der großen Wiese nahmen nacheinander die Marschgruppen aller Celler Schützengesellschaften ihre Positionen ein. Böllerschüsse, blumenbekränzte Majestäten, Kapellen von nah und fern. Der Oberste Hauptschaffer geleitet Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende (SPD) zum Mikrofon. Ansprache des OB. Bei den Neuenhäusenern kreist der Pokal mit erfrischender Bowle und der Deckel wird dabei geschwungen ... die Fahnenträger treten vor ... die Front wird abgeschritten ...

Im Hintergrund des Aufmarsches ergab sich auch die Gelegenheit zu interessanten Bekanntschaften. hier oben z.B. der schmucke Spielmannszug der NVA-Reservisten aus Berlin.

Ab 17 Uhr wand sich dann der Festumzug der Vereinigten Celler Schützengesellschaften durch alle Straßen der Altstadt Richtung Festplatz. Bis spät in den Abend war dann noch Stimmung im Festzelt, und die Schützen sangen gemeinsam das Niedersachsenlied:
     "Wir sind die Niedersachsen - sturmfest und erdverwachsen..."

Damit soll's genug sein mit meinem persönlichen Erlebnisbericht. Kompetentere Berichterstattung lieferte natürlich die Cellesche Zeitung am darauf folgenden Montag. Einige interessante Ausschnitte daraus habe ich für euch in einer PDF-Datei gebündelt.

Für das Neuenhäuser Schützenvolk war aber das Fest damit längst nicht beendet! Noch bis zum 9. August dauerte es, bis alle mit Titeln, Medallien und Pokalen zu Ehrenden ausgeschossen waren.
Erwähnen möchte ich noch, daß jetzt erstmals wieder seit 2005 das SCN den Hauptkönig der Stadt Celle stellt. Markus Wedemeyer, der in Iserlohn auch schon gut bekannt ist, trägt den königlichen Ehrentitel "Der gastfreundliche Tellerjongleur". Gastfreundlich - das habe ich ja selbst erfahren dürfen. Aber das mit dem Teller sollte er mir gelegentlich erklären!

PDF Link

Text und Fotos:  Martin Rupprecht
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